Wenn Freiheit in Haltlosigkeit kippt – die andere Seite von Selbständigkeit & Gründung

Wenn Freiheit zur Haltlosigkeit wird – was man als Selbständige(r) & GründerIn macht, wenn die Unsicherheit kommt

Ein Artikel über die Höhen und Tiefen der Selbständigkeit, das Gefühlschaos von Gründern und Selbständigen und die vielen Unsicherheiten, die die“ Freiheit“ mit sich bringt. 

 

„Du bist aber mutig!“ „Ich könnte das ja nicht.“ „Du weißt schon wieviel Krankenversicherung man dann zahlen muss?“ „Läuft es gut?“ – diese und andere Statements oder Fragen hört man häufig, wenn man sich selbständig macht oder GründerIn ist.

Ich nenne es gerne die „Ängste der anderen“ die dann wie Wellen auf einen hineinprasseln. Als ich letztes Jahr entschieden habe, mich selbständig zu machen, musste ich aufpassen, dass diese vielen Ängste und Meinungen der anderen mich nicht von MEINEM Weg abbringen. Das kann ganz schnell passieren, denn es ist überhaupt nicht leicht, sich von den Meinungen der anderen frei zu machen. Ich habe viel innerlich gekämpft mit den Äußerungen anderer und meinen inneren Bildern und Gedanken: „Was ist richtig? Traue ich mich wirklich? Bin ich zu naiv? Vielleicht haben sie recht, und ich schaffe das alleine nicht?.“

 

Mitten im Wirrwar aus Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten

Ich habe auch lange gebraucht bis ich mich getraut habe. Mit dem Gedanken und vielen Ideen im Kopf lief ich schon eine ganze Weile „schwanger“, aber erstmal tut man es als „Hirngespinst“ oder „Träumerei“ ab und schaut sich die komfortable Situation der Anstellung an und verwirft den Gedanken an eine Selbständigkeit schnell wieder. So war es zumindest bei mir. Aber wenn diese Idee nicht nur im Kopf sitzt, sondern auch im Herzen und man damit eine Vision ins Leben bringen kann, die im aktuellen Moment zu wenig Raum bekommt, dann meldet sich da eine innere Stimme immer und immer wieder bis man ihr zuhört. Manchmal hilft auch ein Schups von außen, welchen ich von meinen Kolleginnen bekommen habe. Die haben es schon gespürt, dass da eine große Idee in meinem Herzen wächst. Und dann führte kein Weg mehr dran vorbei…

 

Selbständigkeit = Mut gepaart mit Zweifel

Wenn man gründet, dann ist da so eine ganz schöne, besondere Energie, die einen antreibt. Die einen jeden Tag aufstehen und dranbleiben lässt. Es ist eine Vision, die man ins Leben bringen will. Eine Veränderung, die man erreichen möchte. Eine Herausforderung, die einen zieht. Ein Produkt, von dem man komplett überzeugt ist. Dafür arbeitet man. Doch es gibt nicht nur diese Höhenflüge. Es gibt auch viele Affen, die einem auf der Schulter sitzen und z.B. die Statements oder Fragen der anderen mantramäßig wiederholen oder einem erzählen, man wäre nicht gut genug. Diese Affen stehen auch manchmal für unsere inneren Glaubenssätze. Dann kommen Zweifel, Sorgen und Ängste auf, man ist sich plötzlich gar nicht mehr sicher, ob das wirklich der richtige Weg ist.

Dazu kommen Zeiten in der Anfangsphase der Selbständigkeit oder auch der ersten Jahre einer Start-Up Gründung, in denen man zurückstecken muss: zeitlich, privat, finanziell. Gründen ist rundum eine Investition. Und der Zauber der Vision trägt einen eben nicht alleine. Wie wir leider auch nicht von Luft und Liebe leben können. Das sind dann die Phasen, in denen es einem nicht gut geht.

 

Nach außen hui, nach innen pfui

Innerlich fühlt man sich klein und ausgelaugt. Und der Affe schreit: „Angst, Angst, Angst.“ Man hat Zweifel, dass man die Zahlen nicht schafft, die man sich als Ziel gesetzt hat und bekommt Angst zu scheitern.

Erschwerend kommt hinzu, dass man sich und das eigene Business nach außen strahlend verkaufen muss, weil man weiterwachsen will, eine nächste Finanzierungsrunde überstehen oder einen neue Investor oder Kunden gewinnen möchte. Eigentlich ist einem danach, sich zu vergraben und niemanden zu sehen. Man hat keinen Bock morgens ins Büro zu gehen oder sich an den Rechner zu setzen. Besonders schwierig ist es, wenn man Mitarbeiter hat, denen gegenüber man sich den kompletten Frust nicht anmerken lassen darf.

 

Aushalten statt Dauer-Aktionismus.

Aushalten ist das Zauberwort für Selbständige und Gründer. Natürlich wird man auch aktiv werden und z.B. mehr Marketing machen, mehr auf Netzwerkveranstaltungen laufen und mehr posten. Doch das sollte nicht alles sein. Aktiv sein und machen, machen, machen kann die Angst noch mehr schüren. Dann entstehen Teufelskreise, die ich aus den Schilderungen meiner Coachees gut kenne. Man bleibt auf einem Level an Aktivität und schafft es nicht mehr zur Ruhe zu kommen, denn wenn man Ruhe hat, dann werden die inneren Stimmen und Zweifel laut. Die Strategie „Betriebsam bleiben“ ist tatsächlich weit verbreitet unter Gründern. Als Coach empfehle ich allerdings das totale Gegenteil. Nachdem man erledigt hat, was man in diesem Moment tun kann, sollte man Pause machen und sich im Loslassen üben. Wir können nie alles kontrollieren und planen. Selbständigkeit lebt von Flexibiliät. Wenn uns diese abhanden kommt, dann verkehrt sich die Freiheit dieses Arbeitsmodells in bedrohliche Haltlosigkeit.

 

Loslassen üben & Stärke von innen entwickeln

„Wie schaffe ich es mich weniger fertig zu machen?“

„Wie baue ich Vertrauen in mich und die Sache auf?“

„Wie werde ich stabiler und resilienter?“

Drei Beispielfragen, die mir als Coach häufig gestellt werden.

Und der Weg dahin ist: innere Stabilität und Stärke aufzubauen. Je stabiler und entspannter wir mit uns selbst und unserer aktuellen Situation sind, desto leichter können wir die Dinge nehmen und eine gesunde Distanz dazu aufbauen. Desto weniger können uns unsere inneren Dialoge übermannen und Kraft ziehen. Ich empfehle an dieser Stelle gerne, zu üben mit sich alleine und in der Ruhe zu sein. Denn dann hören wir selbst, was in uns vor geht und können erkennen, was uns so eine Angst bereitet. Das kann erstmal schwer aushaltbar und erschreckend sein, da wir feststellen werden, dass wir es selbst sind, die uns Stabilität und innere Stärke nehmen. Wenn wir nach und nach unseren Strategien auf die Schliche kommen, erkennen, wann wir wie mit uns selbst reden und uns bewusst darüber werden, was welche Gefühle in uns auslöst und welche Handlungen folgen –  dann entwickeln wir sogenannte Selbstführungsmechanismen, lassen uns weniger von außen leiten, sondern sind sicherer darin auf uns selbst zu hören. Kleiner Tipp: Fangt doch mal an ein Journal zu führen oder schreibt euch auf dem Smartphone Notizen auf.

 

Je mehr wir auf uns selbst hören und vertrauen, desto mehr Stabilität und Stärke werden wir spüren, denn die kann nur von innen und nie von außen kommen!

 

Dieser Artikel ist auch erschienen bei EDITION F – zum Artikel.

 

 

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Photocredit: Joshua Earle 

 

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